Ulna

Ulnafrakturversorgung –
im Stehen

Die Ulna (Elle) bildet gemeinsam mit dem Radius (Speiche) den Unterarm des Pferdes und befindet sich auf der Rückseite des Vorderbeines. Ihre Fraktur gehört mit zu den häufigsten Brüchen bei Pferden und begegnet Pferdepraktikern vergleichsweise häufig. Traditionell werden solche Frakturen in Vollnarkose operiert, was auf Grund der Größe der Tiere ein gewissen Risiko mit sich bringt und mit erheblichen Kosten einhergeht. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine neue Methode etabliert: die chirurgische Versorgung im Stehen beim sedierten und lokal betäubten Pferd.

1) Hintergrund

Ihre exponierte Lage mit nur wenig schützendem, darüber liegendem Gewebe führt bei der Ulna dazu, dass sie schnell durch die Tritte anderer Pferde bricht. Dies kann mit oder ohne zusätzlicher Weichteilverletzung einhergehen und ist immer ein Notfall. Betroffene Pferde sind sofort stark lahm und entlasten ihr Bein in der typischen „Kusshand Stellung“. Eine zeitnahe und korrekte Behandlung dieser Frakturen ist entscheidend, um die Mobilität und Lebensqualität des Pferdes zu gewährleisten.

2) Die neue Methode: Chirurgische Versorgung unter Sedation und lokaler Betäubung

Die Behandlung von Ulnafrakturen im Stehen unter Sedation ist ein relativ neues Konzept, das durch Fortschritte in der Chirurgie, Anästhesie und Schmerzbehandlung ermöglicht wurde. Im Gegensatz zur Vollnarkose, bei der das Pferd bewusstlos ist und sich auf einem Operationstisch befindet, nutzt diese Methode eine Kombination aus Sedativa (Beruhigungsmitteln) und lokalen Betäubungsmitteln, um das Pferd sowohl absolut bewegungslos, als auch schmerzfrei zu halten. Es ist trotzdem natürlich sicher stehfähig und würde in Maßen auf Reize von außen reagieren können.

Während das Team darauf wartet, dass alle Medikamente ausreichend anfluten, wird das Pferd äußerlich für die Operation vorbereitet. Dazu gehört das großflächige antiseptische Waschen des OP-Feldes und gleichermaßen das benetzen mit hochprozentigem Alkohol – somit werden alle Keime auf der Haut entfernt. Im Anschluss wird der Rest des Pferdes (bis auf den Kopf) mit einem sterilen Operationstuch abgedeckt, so dass auch während der Operation nicht etwa Haare oder Staub von oben herunter rieseln können. Der Chirurg macht sich genauso wie bei der herkömmlichen Methode steril und bereitet seinen Operationstisch direkt neben der Vordergliedmaße des Patienten vor. Nun wir der Frakturbereich mit einem langen Schnitt an der Hinterseite des Beines eröffnet, bis die Knochen sichtbar werden. Diese werden nun eventuell leicht reponiert und eine lange Titanplatte von hinten angesetzt Im Folgenden wird die Platte nun mit mehreren speziellen Schrauben an die Knochenfragmente befestigt, so dass der Bruch mehr und mehr Stabilität bekommt. Kontrolliert wird der Eingriff durch diverse Röntgenbilder, um einen perfekten Schraubensitz zu gewährleisten.

Von all dem bekommt der Patient nichts mit – ihm zur Seite gestellt ist ein/e Anästhesist/in, die genau darauf achtet, dass er/sie einfach weiter döst.

Sobald die Implantate in der richtigen Position sind wird Muskulatur und Haut wieder verschlossen und ein hoher Verband angebracht. Die Operationszeit beträgt hierbei etwa 2-3 Stunden, die Pferde dürfen nach etwa einer Stunde wieder fressen. Das schöne: die allermeisten Patienten laufen bereits unmittelbar nach der Operation wesentlich besser.

3) Vorteile der neuen Methode

  •  Kein Narkoserisiko

Vollnarkosen, insbesondere bei großen Tieren wie Pferden, können zu ernsthaften Komplikationen führen, z.B Kreislauf/Atemprobleme, aber auch schwerwiegende Muskelerkrankungen durch eine lange Liegezeit auf dem Operationstisch. Potentiell sind alle Narkosekomplikationen lebensbedrohlich.

  • Kein Risiko in der Aufstehphase

Pferde sind Fluchttiere, was dazu führt, dass sie in der Aufstehphase trotz Medikation panisch werden können. Dabei stehen sie zu schnell und zu unkontrolliert auf und können fallen oder umknicken. Das Problem dabei u.a.: Dieser Belastung halten die Implantate häufiger nicht stand und sie können brechen bzw. die Schrauben können aus der Verankerung gerissen werden. Laut Literatur liegt dieses Risiko bei Ulnafrakturen bei ca. 48%.

  • Geringere Kosten

Das Wegfallen von Allgemeinanästhesie und dem damit verbundenen Aufwand und die statistisch gesehen geringeren Komplikationsrate führt durchschnittlich zu deutlich geringeren Behandlungskosten

4) Grenzen der neuen Methode

Wie jede Methode – egal ob neu oder alt – hat auch die Versorgung von Ulnafrakturen im Stehen ihre Grenzen bzw. Kontraindikationen. Dazu gehören:

  • Unkooperative/nervöse Pferde

Dieser Eingriff erfordert eine absolute Ruhe und ein sicheres Stillstehen des Pferdes – zum Einen für einen perfekten Sitz der Implantate, zum Anderen für die Sicherheit des Chirurgen. Bei Islandpferden ist dies selten ein Problem, aber es gibt durchaus immer mal wieder Tiere, die sich trotz des Ausschöpfen der Medikamente nicht ausreichend beruhigen lassen und für die die Atmosphäre der Operation zu beängstigend ist. Solche Pferde sind in der Allgemeinanästhesie sicherer zu behandeln.

  • Wachstumsfugen Frakturen bei Fohlen

Bei diesen Frakturen liegt die Bruchlinie unmittelbar unter dem Trizeps, der daher intraoperativ durchtrennt werden muss. Dies ist am Stehenden Pferd nicht durchführbar. Darüber hinaus ist natürlich auch ein Fohlen altersbedingt sehr schwer zu beruhigen.

5) Fazit

So wichtig Altbewährtes und konventionelle Ansätze sind, so ist ein innovatives Voranschreiten für die (Tier)Medizin unabdingbar und führt langfristig kontinuierlich zu immer besserer Diagnose/Behandlungsoptionen. Natürlich muss dabei immer nüchtern und empirisch das Für und Wider gegeneinander aufgewogen werden.

Die Versorgung von Ulnafrakturen im Stehen gehört zu gerade diesen innovativen Therapieansätzen, die bei vielen Patienten eine sinnvolle Alternative darstellen – sowohl für das Tier, als auch für den Besitzer. Wie immer muss selbstverständlich im Einzelfall gemeinsam entschieden werden, welcher Ansatz für den jeweiligen Patienten der Beste ist.

 

Quellen:

  • Jimenez-Rihuete, B. O’Meara (2023): Three cases of olecranon fracture repair in the standing horse. Equine Vet Edu, 35:(3), 193-199.
  • Auer & Stick, Equine Surgery, 6th Edition, Ulna fractures.

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